Obacht vor trojanischen Dukateneseln

Angestellte und Chefs sind sich einig: Arbeit von Zuhause sollte zur Regel werden. Die verheerenden Folgen werden noch zu besichtigen sein.

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Krisen sind Dukatenesel für Veränderungen. Ganz vorne bei den coronainduzierten Neuerungen: das Home Office, im Volksmund „Arbeiten ohne Zähneputzen“. Die Erfahrungen sind zwar ambivalent – sie reichen vom „könnte so weiter gehen“ bis zu „hoffentlich hat das bald ein Ende“, von der „No-desk-policy“ bis zu „Alle zurück ins Büro!“. Insgesamt aber wollen deutsche Arbeitnehmer künftig mehr als ein Drittel ihrer Arbeitszeit zuhause verbringen. Das trifft sich mit den Interessen vieler Unternehmen, für die Heimarbeit vor allem nach Kostensparen klingt. Doch diese Einschätzung basiert auf einer sehr kurzen Erfahrungszeit – und sie ist kurzfristig gedacht. Denn die Forschung zum Thema „working remotely“ weist in die andere Richtung. Ein Forscherteam um Harvard-Ökonom Ricardo Hausmann konnte jüngst nachweisen, dass virtuelle Zusammenarbeit geringere Produktivität erzeugt. Der Grund: Das Wissen, das in den Köpfen der Mitarbeiter steckt, vermittelt sich nur durch physische Begegnung. Andere Befunde zeigen, dass die Arbeiten von Forschungsteams, die an einem Ort zusammenarbeiten, etwa doppelt so häufig zitiert werden wie die Arbeiten von Wissenschaftlern, die über die ganze Erde verstreut sind. Gut belegt ist auch der „Kollegeneffekt“: Die Schnellen ziehen die Langsamen mit, die Stärkeren die Schwächeren. Es ist ein Unterschied, ob man in einer Mannschaft spielt oder als Mannschaft. Es besteht gar die Gefahr einer durchs Home Office angeheizten Tribalisierung der Mitarbeiter: Die Hochgebildeten können von zu Hause arbeiten, die Mindergebildeten müssen vor Ort sein.

Am folgenreichsten aber leidet die Kreativität unter der Virtualisierung der Arbeitswelt. Denn Kreativität entsteht durch heterogene Kooperation. Es sind Begegnungen unterschiedlichster Menschen, die Einzelteile neu zusammenfügen und ein Mehr an Gesamtheit entstehen lassen. Google, Apple, Facebook & Co. haben ihre Unternehmensgebäude bewusst so konstruiert, dass die Menschen fast gezwungen sind, sich ungezwungen zu begegnen. Weil sie wissen, dass auf diese Art und Weise Neues entsteht.

Das alles verweist auf Grundsätzliches: Ein Unternehmen ist vorrangig eine Kooperationsarena, keine Koordinationsarena. Ihr logisches Zentrum ist das Zusammenarbeiten, nicht die Addition von Einzelleistungen. Wem also Home-Office leicht fällt, der hat vorher nicht wirklich zusammengearbeitet! Anthropologisch naiv handelt daher, wer die für viele überraschend guten Erfahrungen der kurzen Corona-Zeit zur neuen Routine macht. Es kann hybride Arbeitsplatz-Modelle geben, aber im Regelfall sollte nicht mehr als ein Tag pro Woche von zuhause gearbeitet werden. Auch Videokonferenzen können Dienstreisen nicht dauerhaft ersetzen. Kein Digitalisierungsschub kann dementieren, dass Menschen andere Menschen brauchen – im Jetzt und Hier.

 

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