Nichts ist perfekt – Über Metakompetenzen

Nichts ist perfekt – Über Metakompetenzen

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Welche Fähigkeiten werden in der Arbeitswelt der Zukunft über Erfolg und Misserfolg entscheiden? Immer wieder werde ich das gefragt. Nicht zuletzt Corona, der russische Einmarsch in die Ukraine und die rasante digitale Entwicklung haben uns gezeigt, dass es nicht mehr reicht, uns auf erwartbare Regelmäßigkeiten vorzubereiten. Deshalb lautet meine Antwort: Metakompetenzen! Das sind Kompetenzen, die so universal sind, dass sie in unterschiedlichen Bereichen nützlich sind. Welche wären das?

Wenn der Zusammenhang zwischen idealer Ausbildung und Berufserfolg sich immer mehr auflöst, wird immer wichtiger: die Fähigkeit zur Kurskorrektur. Die dürfen wir nicht als Planungsfehler interpretieren, sondern als Neuanpassung an Situationen, die nie vollständig im Voraus zu berechnen sind. Neugierig zu sein und zu bleiben, Lernfreude zu entwickeln, flexibel zu sein und zu bleiben – das zählt unter den zu erwartenden wirtschaftlichen Bedingungen mehr als formale Zertifikate. Denn die haben ein rasches Verfallsdatum. Wer das Korrigieren gelernt hat, zügig und ohne Bedauern, der braucht vielleicht eine Ausbildung als Grundlage, aber keine ideale, keine „richtige“. Es gibt diese ebenso wenig wie die perfekte Partnerwahl, den perfekten Job oder die perfekte Unternehmensstrategie.

Die Metakompetenz der Korrekturfähigkeit hat eine hohe Schnittmenge mit pragmatischem Entscheiden, dem Umgang mit Unschärfe, Elastizität bei Mehrdeutigkeiten. Gerade aus diesem Punkt erwächst eine weitere Metakompetenz: der Umgang mit Mehrdeutigkeit. Nur wenige Fähigkeiten werden in einer globalisierten Zukunft so notwendig sein wie die Fähigkeit, gelassen und situationsangemessen zwischen Widersprüchen zu pendeln.

Wenn wir diese Fähigkeit entwickeln wollen, dann ist die Mindestbedingung, alternative Wertvorstellungen nicht zu ächten. Menschen wenigstens nicht abzuwerten, die andere Werte vorziehen. Seien es Werte kultureller, religiöser oder sozialer Art. Das kann man üben: Möglichkeitsbewusstsein und Ambiguitätskompetenz werden durch Kunst, Malerei, Gedichte, Theater und Musik gebildet. Nicht durch wissensbasiertes Training. Die scheinbar überflüssigen Ballaststoffe der letzten Jahrzehnte sind heute Übungsstätten der Zukunftsfähigkeit. Bildung unterscheidet Urteil und Meinung, Verstand und Gefühl, Faktum und Deutung. Und sie kann Unverbundenes verbinden, wie es ja die Digitalisierung fordert.

Für den persönlichen Lebenserfolg ist vielleicht die wichtigste Metakompetenz, trotz einer Überfülle an Möglichkeiten Entscheidungen zu treffen und zu ihnen zu stehen – im Guten wie im Schlechten. Und nicht nach Lust und Laune zur nächstbesten Option zu greifen. Sonst verpassen wir aus Furcht, ein besseres Leben zu verpassen, genau das Leben, das gerade stattfindet.

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