Merkel – Handwerk, keine Haltung

Wirtschaftswoche Logo

Angela Merkel. Seit 16 Jahren an der Spitze einer der bedeutendsten Industrienationen. Was lässt sich aus führungspsychologischer Sicht über sie sagen?

Erstens: Führung gibt es, weil es Konflikte gibt und diese entschieden werden müssen. Führung hat ihren prinzipiellen Aufgabenbereich daher jenseits der Routine, dann zeigt sich ihre Qualität, nicht beim gewohnten Ablauf.

Nun, hat Frau Merkel ihren Job gemacht? Es waren in ihrer Amtszeit drei Großkonflikte, die der Führung bedurften. Auf die Migrationskrise reagierte sie moralisierend ohne Rücksicht auf die Belastbarkeit der Sozialsysteme. Sie hat es geschafft, in der Öffentlichkeit als Tatsache darzustellen, aufgrund des Asylgrundrechts sei es unsere Pflicht, alle Migranten aufzunehmen. Es war ein Glaubensbekenntnis, und damit der Beleg, dass der säkulare Staat als Fundament der westlichen Gesellschaften eine Illusion ist. Und so ist es eben die Staatsgläubigkeit, die unter Merkel in historisch beispielloser Weise angeschwollen ist.

Dann der Fallout in Fukushima. Merkel radierte die deutsche Atomindustrie binnen weniger Tage aus. Und die deutsche Rechtsstaatlichkeit gleich mit. Im Jahre 2018 sagte sie, dass die Bundesregierung Recht und Gesetz einhalten wolle - „wo immer das notwendig ist“. Mir ist bis heute schleierhaft, wie die deutsche Öffentlichkeit diesen Satz durchwinken konnte.

Dann kam Corona. Erst im Rückblick wird wahrscheinlich das Staatsversagen sichtbar werden, für das nicht nur Sterbende, Einsame und Kranke einzustehen haben, sondern vor allem unsere Kinder, die heute noch nicht ihren Lastensack spüren. Ganz zu schweigen von der Erosion der Grund- und Menschenrechte und der parlamentarischen Demokratie. Freiheit schrumpfte zu einer vom Staat gewährten Freiheit, und auch die nur soweit, wie es den politischen Zielen entsprach.

Nimmt man diese drei Großereignisse zum Massstab, war Frau Merkel eine Fehlbesetzung.

Zweitens: Führungskräfte bekommen ihr Geld für die Sicherung der Zukunftsfähigkeit. Die Minimalanforderung ist hier, die eigene Nachfolge zu regeln. Wieder die Frage: Hat Frau Merkel ihren Job gemacht? 16 Jahre hatte sie Zeit. Viel zu lange war das Zentrum zu stark, da hat sich nichts entwickeln können. Entsprechend das Chaos nach dem Ende einer langen Herrschaft. Man braucht dieser Tage nur anzuschauen, wie sich die CDU selbst zerlegt. Alle Konkurrenten hat Merkel weggebissen. Auf das niemand auf die Idee kommen könnte, jemand könnte ihr legitimer Nachfolger sein.

Drittens: Führung muss sich überflüssig machen. Führung muss eine Institution so hinterlassen, dass sie nach ihrem Weggang in einem höheren Maß zur Selbstführung in der Lage ist, als sie es bei ihrem Dienstantritt war. Und, hat Merkel das getan? Nein, in Deutschland wuchert der Staat. Es sind mehr Menschen abhängig von staatlichen Versorgungsleistungen als je zuvor. Unter Merkels Führung wurden seit 2005 Tausende Stellen neu in den Ministerien geschaffen, ohne das die Bevölkerung deutlich gewachsen ist oder die Regierungsaufgaben grundlegend verändert haben.

Viertens: Management ist Handwerk, Führung ist Haltung. Haltung konnte man bei Merkel nie erkennen, da war nur Handwerk. Das rächt sich jetzt, wo im Wahlkampf politische Inhalte gebraucht werden – und keine da sind.

Zurück