Mann und Frau liegen nicht im Plan

Die Welt soll weiblicher werden. Das ist nichts Neues, daran arbeitet man schon länger, durchaus erfolgreich, wenn auch sektoral unterschiedlich. Jedoch mehren sich die Zeichen, dass der weibliche Vormarsch stockt, ja dass der Frauenanteil in vielen gesellschaftlichen Subsystemen sogar sinkt. Offenbar lässt sich das erreichte Niveau nicht halten. Entsprechend erheben sich warnende Stimmen, die diese Rückentwicklung eindämmen wollen. Dabei gilt die Frauenquote vielen im politischen Raum mittlerweile als zu grobschlächtig. Man mag den Mikroideologen kaum nocht folgen, denen es nicht darum geht, was jemand kann, sondern was jemand ist. Und jemanden zu befördern für das Geschlecht, also für das einzige Kriterium, für das jemand nichts kann, das fällt auch hartleibigen Genderaktivisten zunehmend schwerer. Aber immerhin müsse man doch wieder verstärkt für das Thema sensibilisieren und das Bewusstsein schärfen. Dabei ignoriert man weiterhin beharrlich den blinden Fleck der Debatte, nämlich dass der Kampf gegen das Patriachat lediglich patriarchale Denkmuster wiederholt: Die Frau ist schwach, sie weiss nicht, was für sie gut ist.

Auf der anderen Seite des Geschlechter-Tableaus aber eine ähnliche Situation. Da versucht die Politik mit viel Steuergeld die Männer davon zu überzeugen, direkt nach der Geburt oder auch für die Kindererziehung zuhause zu bleiben. Aber die Männer spielen nicht mit. Jedenfalls nicht so, wie es die staatlichen Umerzieher gerne hätten. Was wiederum für Sorgenfalten sorgt. Man stützt sich dabei auf Befragungen, in denen Männer antworten, dass sie eigentlich gerne mehr Zeit mit ihren Kindern hätten. Eigentlich? Wenn sie wirklich mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollten, würden sie es tun. Schon Seneca wusste: „Nicht wollen ist der Grund, nicht können nur ein Vorwand.“

Beide also liegen nicht im Plan, weder Frauen noch Männer. Um sie fürsorglich belagern zu können, und das wird immer wieder übersehen, muss man sie zu Opfern machen, muss man sie entmündigen. Diese Rolle übernimmt die geschlechtsspezifische Sozialisation, die irgendwie „falsch“ ist. Beide Geschlechter seien daher irregeleitet, wüssten gar nicht, was ihnen entgeht. Aber Politiker wissen das.

Warum lässt man die Leute nicht in Ruhe? Warum respektiert man nicht, dass Frauen wie Männer sich entscheiden und dass sie Gründe für ihre Entscheidung haben? Wie kann man sich anmaßen, besser zu wissen, was ihnen nützt?

Die Antwort lautet: Weil Politiker Differenzgeneratoren sind. Sie öffnen ja nicht die Augen und freuen sich, wie vieles auf wunderbare Weise zusammenfließt. Sie öffnen vielmehr die Augen und sehen eine Differenz - eine Differenz zwischen Ist und Soll. Und diese Differenz erlaubt es ihnen, tätig zu werden und aufmerksamkeitsökonomische Renditen zu erzielen. Sollten sie keine Differenz erkennen, dann bringen sie eine mit. Und sei sie noch so luxurierend.

Geschlechterpolitik illustriert die Unfähigkeit der Politik, das Grundprinzip freiheitlicher Ordnung anzuerkennen: Enthaltung als Haltung. Im Grunde beruhen die Ethiken aller Zivilisationen auf Geboten der Unterlassung – sich auf das zu konzentrieren, was als wirklich Schlimmes zu vermeiden ist und was als moralischer Minimalkonsens im universalen Sinne anerkannt werden kann. Gleichsam als moralisches Weltmoralerbe.

Politik verirrt sich jedoch im allgemein Wünschbaren. Sie verhält sich  überzuständig, invasiv, dehnt sich moralisierend aus, reguliert immer mehr Lebensbereiche. Sie schreitet auch da ein, wo Nicht-Einmischen klug wäre. Denn ein Nichthandeln der Politik zielte auf das Selbertun der Bürger, Zurückhaltung der einen schützte den Freiraum der anderen, eine grobe Strukturvorgabe überliesse alles andere dem Bürger.

Für Zurückhaltung braucht man jedoch einen souveränen Überblick: Man muss genau wissen, was man tut, um in der Lage zu sein, nichts zu tun. Darum geht es: Die Politik muss sich als selbststartende Institution in Frage stellen. Sie sollte nur das tun, was sie mit Blick auf die Überlebensfähigkeit des Gemeinwesens nicht lassen kann. Geschlechterpolitik gehört nicht dazu.

Zurück