Erfolge sind glückliche Singularitäten

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Sie wollen erfolgreich sein? Und Sie wollen wissen, wie das geht? Ich muss Sie enttäuschen: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Wer das Gegenteil behauptet, ist ein Scharlatan. Weil Erfolg das ist, was folgt. Nicht das, was Sie direkt anstreben können.

Was jedoch eine ausufernde Ratgeber-Literatur (und auch diese Kolumne) nicht daran hindert, die Geheimnisse der Erfolgreichen zu lüften, sprich: Rezepte zu verteilen. Die Bedingungen von Erfolg sind ja auch bekannt: Talent, Fleiss, familiärer Hintergrund, ein Gespür für das Besondere, die Nische, die Nicht-Austauschbarkeit. Auch die Wahl des richtigen Spielfeldes, wo Ihr Besonderes auch wahrgenommen wird. Als Frage formuliert: „Bekomme ich für das, was ich am besten kann, auf diesem Spielfeld auch ein Lächeln? Oder beutet dieses Spielfeld nur ein Zweit- oder Dritttalent von mir aus?“ Sollte Letzteres der Fall sein, kommen Sie über Mittelmaß nicht hinaus.

Aber selbst wenn Sie alles „richtig“ gemacht haben – Erfolg ist dann immer noch nicht garantiert. Denn nicht alle Ingredienzien dafür haben Sie in der Hand: Wir alle hängen vom Zufall ab, vom Glück – was, richtig bedacht, die sogenannten Wirtschaftswissenschaften mit ihrer ceteris-paribus-Klausel in den Rang der Kaffeesatzleserei katapultiert. Ich möchte es zuspitzen: Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass der Zufall eine umso größere Rolle spielt, je erfolgreicher ein Mensch oder ein Unternehmen ist. Wie viele Erfolgsmenschen haben windfall-profits eingeheimst oder einen Boom erwischt, der sie nach oben spülte? Oder sie waren zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort, waren zur Stelle, als jemand gebraucht wurde, haben die richtige Suchanzeige gelesen, haben im Urlaub die richtigen Leute getroffen? Und auf jeden, der glaubte, er habe den Stein der Weisen gefunden, kommen Tausende, die dasselbe taten und dabei scheiterten. Deren Geschichte erzählt aber niemand. Jedenfalls habe ich noch kein Buch gesehen mit dem Titel „Wie ich mein Unternehmen an die Wand fuhr“ oder „In zwölf Schritten zum Verlierer“.

Wir kommen um die Erkenntnis nicht herum: Erfolge sind und bleiben Singularitäten. Und das Glück spielt eine immense Rolle. So wie es Theo Albrecht in einem seiner letzten Interviews gesagt hat: „Ich habe einfach viel Glück gehabt.“

Die Zufallsabhängigkeit von Erfolg hat eine kontraintuitive Konsequenz: Je erfolgreicher ein Unternehmen ist, desto weniger können Sie von ihm lernen. Deshalb: Schauen Sie nicht auf außergewöhnliche Erfolge! Glück ist nicht kopierbar. Oder, mit Adorno im Rücken: „Nur wer sich die Gegenwart anders vorstellen kann, denn die existierende, verfügt über Zukunft.“

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