Ausweitung der Kampfzone

Ich bitte um Nachsicht, dass ich ein Thema aufgreife, welches der allgemeine Moralisierungsfuror zum gesellschaftlichen Dauerkonflikt gemacht hat. Viele Unternehmen haben das Gendern der Sprache zum Tugendnachweis erhoben: „Liebe MitarbeiterInnen!“, oder avancierter: „Liebe Mitarbeitenden!“. Manche, wie die SwissRe, verbietet ihren weltweit 15000 Angestellten gar Worte wie „Mann“ und „Frau“. Andere diktieren in allen Veröffentlichungen das Gendersternchen.

Diese Firmen begreifen nicht, dass eine biologische Kategorie nichts zu tun hat mit einer grammatischen Kategorie. Sexus und Genus darf man aber nicht verwechseln. Sonst wäre es kaum verständlich, dass ein Auto „der BMW“ heißt, aber ein Motorrad „die BMW“. Wenn ich zum „Bäcker“ gehe, habe ich auch nichts dagegen, wenn eine Bäckerin das Brot gebacken hat. Und sollten „die Menschen“ nur Frauen meinen? Wo steht eigentlich geschrieben, dass die Hose männlich und der Rock weiblich sei? Entsprechenden Forderungen widerspricht schon die Sprache sprechend.

Ich kann verstehen, dass Menschen aufgrund ihres Geschlechts Aufwertung einklagen. Aber die Sprache kann das nicht leisten. Sie verteilt kein Recht auf Mitgemeintwerden. Und ich bezweifele stark, ob die Sprache die kulturelle Dominanz des Männlichen ausgleichen kann. Zudem vertraue ich meiner Intuition. Und nach der tut mir die Gendersprache geradezu körperlich weh. Ich erlebe sie als Angriff. Als Angriff auf meine Liebe zur Sprache. Sie raubt mir die Selbstverständlichkeit der Sprachverwendung. Es ist einfach nicht wahr, dass, wie gebetsmühlenartig behauptet, Sprache geschlechtsspezifisches Bewusstsein präjudiziere. Ich fühle mich als Mann ja auch immer „mitgemeint“, wenn es „die Führungskraft“ heißt. Ich bin nie auf die Idee gekommen, dass hier nur Frauen gemeint sein könnten. Ich fühle mich auch als „der Manager“ oder „der Vorgesetzte“ nicht in meiner Männlichkeit angesprochen. Sondern schlicht als Mensch. Als Mensch in einer Rolle. Ich räume niemandem das Recht ein, mich in meinem Geschlecht angesprochen zu fühlen, wo ich doch als Mensch gemeint bin.

Insofern ist die Sexualisierung der Sprache eine missbräuchliche Anbiederung an eine akademische Minderheit, die der gesamten Gesellschaft ihren Diskurs aufdrückt. Gleichzeitig ist sie ein Übergriff auf ein Bürgerrecht, nämlich das Deutsche ohne Gängelei zu verwenden. Ich kann es aber auch weniger nüchtern sagen: Die Gendersprache ist eine Kriegserklärung. Sie kündigt den Frieden auf, in Sprache und Sein.

Das verweist auf eine gefährliche Tendenz in unseren Unternehmen. Es machen sich Mikroideologen breit, die die Mitarbeiter in Bevorzugungs- und Benachteiligungsgruppen spalten. Das führt nicht nur dazu, dass viele Unternehmensstrukturen endlos erweitert und differenziert werden. Der Fokus auf Gruppenidentität bedroht auch die Einheit des Unternehmens. Im Unternehmen steht dann nicht mehr das Verbindende im Mittelpunkt, sondern das Trennende. Das wird paradoxerweise von der betont weiblichen Form erst erzeugt: „Kollegen“ meint alle, „Kolleginnen“ nur Frauen. Dieser Ausweitung der Kampfzone sollten wir entschlossen entgegentreten. Passen wir auf, dass wir nicht nur noch Bäume sehen – und keine Wälder mehr.

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